Interview mit Stimm-Coach Irene Carpentier

Sängerin und Gesängspädagogin Irene Carpentier

Hallo Frau Carpentier, möchten Sie sich kurz vorstellen? Woher kommen Sie und seit wann arbeiten Sie hier als Stimmbildnerin?

Ich bin gebürtige Belgierin und habe an der Hochschule Antwerpen und der Fontys School of Fine & Performing Arts in Tilburg Gesang studiert. Nachdem ich einige Jahre in Belgien als Sängerin und Gesangspädagogin gearbeitet habe, bin ich der Liebe wegen nach Deutschland gezogen und arbeite nun seit 2016 im Siegerland als selbständige Gesangsdozentin. Zusätzlich forsche ich an der Universität Siegen zum Thema „Stimmgesundheit und -bewusstsein von Lehramtsstudierenden“.

Was begeistert Sie an Stimmbildung?

Der Stimmklang einer Person ist so einzigartig, dass die Arbeit mit jeder Stimme anders ist. Auch persönliche Präferenzen sorgen dafür, dass die eine Stimme mehr so, die andere mehr so „gebildet“ wird. Stimmbildung ist für mich eher ein Befreien der Stimme und das Wiederherstellen von physiologischen Abläufen, wodurch sich der Klang entwickelt und man mehr Möglichkeiten bekommt Gefühlsnuancen klingen zu lassen. Mit Singen kann ich Gefühle ausdrücken, die ich nicht in Worte verpacken kann – Singen ist „sich selbst ausdrücken“. Damit dies immer besser funktioniert, muss ich wissen, wie ich meine Stimme dazu benutzen kann. Welche Stimmtechnik kann ich verwenden, um welche Gefühle zu vermitteln und wie funktioniert meine Stimme überhaupt?

Nutzen Sie dazu eine bestimmte Technik?

Ich selbst bin stetig auf dieser Suche. Ein kontinuierliches Einbauen von physiologisch basierten technischen Übungen, sorgt dafür, dass meine Stimme stets freier und flexibler wird. Wenn man glaubt, dass man „es geschafft hat“ und nicht mehr weiter trainiert, verliert man Fähigkeiten, glaube ich. Meine Erkenntnisse möchte ich gerne mit Menschen teilen – das finde ich wertvoll. Ich finde es spannend mit Menschen unterwegs zu sein und sie auf ihrem Weg der Stimmbefreiung zu begleiten und ihnen das richtige Werkzeug für die Stimme an die Hand zu geben, damit sie ihre stimmlichen Möglichkeiten ausschöpfen können. Ich habe über die Zeit festgestellt, dass die Persönlichkeit eines Menschen und die Benutzung der Stimme Hand in Hand geht. So wie man sich fühlt, so atmet man zum Beispiel auch… Das heißt, wenn man selbst locker ist, dann atmet man ruhig und das wiederum unterstützt die Stimmfunktion. Und das kann man trainieren, zum Beispiel mit dem „Blubbern“.

Was hat „Blubbern“ mit Singen zu tun?

Das Blubbern mit dem „Lax Vox“ wurde im Jahr 1991 von einer finnischen Logopädin international vorgestellt und ist eine sogenannte SOVT-Stimmübung (Semi-Occluded Vocal Tract) mit teilweise verschlossenen Vokaltrakt. Dabei blubbert man wie mit einem Strohhalm in eine mit etwas Wasser gefüllte Flasche und kann sowohl kurze Einsingübungen als auch ganze Lieder damit singen. Die Übung hilft einen Druckausgleich zu schaffen und zu überprüfen, ob man beim Singen zu viel oder zu wenig Luft benutzt. Sie löst Spannungen im Kehlkopf und lässt SängerInnen mit optimalem Druck frei singen. Diese kostengünstige Technik zur Stimmpflege ist sowohl bei Laien als auch Profis sehr beliebt, da man auch beim Üben Zuhause eine super Selbstkontrolle hat und sie kaum Fehler birgt.

„Lax Vox“ – Blubbertechnik

Warum arbeiten Sie gerne mit dem Bach-Chor zusammen?

Ich arbeite nun seit 2020 als Gesangscoach mit dem Bach-Chor Siegen zusammen (mal digital, mal präsentisch, mal in der ganzen Gruppe oder auch mit Einzelpersonen) und bin absolut begeistert von der offenen Atmosphäre im Chor. Der Chor ist stimmlich sehr fit und ist es gewohnt auch schwierige Stücke einzustudieren. Ich arbeite sehr gerne mit Menschen zusammen, die sich Mühe geben und bereit sind, gemeinsam etwas „Schönes“ zu erschaffen. Meine Aufgabe dabei ist es am Chorklang zu feilen und jedem einzelnen wertvolle Tipps für die eigene Stimme mit auf den Weg zu geben. Im Bach-Chor ist es für mich nicht nur ein normales Coaching, sondern ein wunderbarer Dialog zwischen den SängerInnen, dem Künstlerischen Leiter Peter Scholl und mir. Peter Scholl ist diese technische Ebene im Chorgesang sehr wichtig und dadurch ist diese Zusammenarbeit auch für mich besonders interessant.